Mahnwache, ein Bericht von Beks!
Samstag war es wieder soweit: Mahnwachentag und ich durfte mit!
Es ist jetzt das vierte Mal, dass viele Menschen, denen das Schicksal der Hunde aus Rumänien, hier mitten bei uns in Europa, nicht egal ist, in Hamburg am Hauptbahnhof zusammenkommen und derer gedenken, die dort um ihr Leben fürchten, wenn sie es nicht schon haben lassen müssen.
Frauchen nimmt mich sehr gerne mit, da ich so unkompliziert bin, sagt sie immer (anders als der Rest der Bande).
Wir fahren die guten 200 Kilometer mit dem Zug, das schon die Umwelt und ist günstig. Außerdem haben wir im Zug immer eine Menge Spaß. Wir - Frauchen, Silke und ich -sind inwischen schon ein ganz gut eingespieltes Team.
Um 12.01 ging es in Niebüll los und um eben nach halb drei waren wir dann im Hamburg. Hauptbahnhof, bitte aussteigen, wir sind am Zielort.
Im Bahnhofsgebäude ist es immer spannend, viele Gerüche, Geräusche und Menschen über Menschen, manchmal auch einige Hunde. Als wir dann aus dem Bahnhofsgebäude raus sind, war sie schon aufgebaut , die Demonstration.
Überall waren die Plakate, die ich schon kannte, mit Pfotenabdrücken drauf. Es gab viele Bilder von Hunden, auch Fotos, auf denen die Hunde sehr traurig, krank und verletzt aussahen. Und es waren Menschen dort, viele hatten auch Hunde mit.
Alles war bunt und freundlich, niemand hat hier verlangt, dass ich einen Maulkorb aufziehen soll. Nur ein Hund war da, sie heißt Mona und ich kenn die schon von anderen Demo´s.
Mona sieht eigentlich gar nicht so viel anders aus als ich, aber die muss so´n Maulkorb tragen.
In einer Stadt kurz vor Hamburg haben wir sie schon mit ihrem Frauchen auf dem Bahnsteig getroffen, weil wir dort umsteigen mussten. Da war Mona noch nackig, ohne dieses blöde Gestell.
Und ich fand sie da viel hübscher, auch habe ich sie besser verstanden. Mona ist total nett. Sie hat mir dann in Hamburg erzählt, dass sie hier in dieser Stadt eben immer mit dem blöden Ding laufen muss, weil das Vorschrift ist.
Ja, genau, Vorschrift, dass hatte ich doch heute auch schon oft gehört. Ich habe ihr erzählt, wie Frauchen den Mann in der Bahn ausgetrickst hat und Mona wollte ihrem Frauchen das auch mal erzählen. Sie glaubt aber, dass das nix wird, weil das mit anderen Sachen zu tun hat und die Männer und Frauen, die das hier in Hamburg bestimmt haben nicht die gleichen wie die mit den blauen Uniformen sind. Schade, das tat mit echt leid für die Mona.
Es waren wieder die roten Kerzen im Glas aufgebaut , ich glaube, die stehen in Gedenken an die gestorbenen Hunde in Rumänien.
Die werden dort sehr schlecht behandelt, ich habe Schilder gesehen, da stand z.B. neben einem Foto von einem Schäferhund " vergiftet im November 2013".
Und es waren ganz viele Fotos dort. Daran zu denken, dass diese Hunde alle nicht mehr leben, hat mich schon sehr traurig gemacht. Eine Frau, die ich schon von den vorherigen Veranstaltungen kannte, Marina heißt die, hat wie immer eine Rede gehalten.
Sie hat erzählt von der Situation in Rumänien und was das für die Hunde bedeutet. Da ist kein Hund mehr sicher inzwischen, es laufen überall Hundefänger rum, die man dafür bezahlt, dass sie die einfangen. Und sie fangen in erster Linie die netten und freundlichen und zutraulichen ein, also solche wie mich und Dich, Martha. Das hat ein Mann da erzählt, den ich auch schon kannte.
Das sind Hunde, die haben kein Zuhause, die leben auf der Strasse und sind eigentlich auch ganz zufrieden da gewesen all die Jahre. Die haben sich gut mit den Menschen, die dort wohnten, verstanden, haben manchmal mit den Kindern auf dem Heimweg von der Schule gespielt und waren immer da. Die gehörten einfach dazu, so wie die Katze unserer Nachbarn und der Dackel von gegenüber bei uns in der Strasse auch wohnt, so haben die in ihrem Viertel gelebt.
Und seit es seit dem letzten September alles anders geworden ist, werden sie gejagt, verfolgt und getötet. Den Kindern werden schlimme Geschichten über die Hunde erzählt und jetzt haben sie plötzlich Angst vor ihnen und bewerfen sie mit Steinen. Es gibt auch Menschen dort, die sie beschützen wollen, aber es sind zu wenige und sie schaffen es nicht alleine, zu mächtig sind die Hundefänger.
Diese Menschen müssen jeden Tag erleben, wie Hunde in ihrer Stadt gefangen und brutal getötet werden, es gibt sogar Leute, die sie absichtlich mit dem Auto überfahren oder anzünden. Ich kann mir das nicht vorstellen, Martha, es hört sich einfach so schrecklich an.
Du weißt ja, dass ich auch eine lange Zeit in einem Tierheim in einem Nachbarland von Rumänien gelebt habe. Da war es auch nicht schön und ich habe die heißen Sommer gehasst, in denen ich keinen Schattenplatz hatte genau so wie die kalten Winter, wenn ich keine der begrenzten und begehrten Hütten für mich erobern konnte, weil ich nicht zu den größten Hunden dort gehört habe.
Aber ich habe nie um mein Leben gefürchtet, ich war oft einsam und traurig, aber ich hatte nie Todesangst.
Und als ein Mann dort einen Text verlesen hat, den jemand geschrieben hat, der in so einem Heim in Rumänien war, Shelter nennen die das, wurde mir klar, wie lieb ich mein Frauchen habe und wie glücklich ich sein kann, dass ich nun hier bin.
Dass ich nicht im falschen Land geboren bin und nun ein geliebter Hund sein kann. Ich wollte Frauchen eigentlich noch fragen, warum es Shelter heißt, was ja eigentlich Schutz bedeutet, wenn sie die Hunde dort zum Töten hinbringen.
Aber während der Mann den Text vortrug, kam er sehr oft ins Stocken und konnte kaum weiter reden, so traurig und furchtbar waren die Worte, die dort standen.
So entsetzlich war das, was wir gehört haben, dass ganz viele Menschen geweint haben, Frauchen auch.
Später trugen zwei Frauen einen kleinen Sarg herbei, eine kleine,schwarzer Kiste, grade groß genug für einen Hund.
Sie haben auch geweint und dann haben viele Leute Rosen darauf gelegt, wie bei einer Beerdigung.
Der Sarg war symbolisch für die vielen unschuldigen Hunde, die nicht wussten, warum das mit ihnen geschah, die nichts dafür konnten, dass man sie plötzlich hasste, die einfach nur friedlich mit den Menschen leben wollten, so wie früher.
Martha, ich stelle mir das so furchtbar vor, die wissen nicht, wohin sie sollen, sie werden eingefangen und bluten da oft schon ganz entsetzlich und schreien, weil ihnen die Schlinge, mit der sie gepackt und fortgerissen werden, so entsetzlich weh tut. Genau so, wie die Schläge und die Schreie der böden Männer.
Sie kommen verletzt in diese Shelter und niemand kümmert sich, sie haben da nichts zu fressen und fast nichts zu trinken, niemand, der ihre Zwinger sauber macht. Sie liegen neben toten oder schwer verletzten Freunden und haben solche Angst, dass sie sich kaum bewegen können und nicht wissen , wohin sie ihren Blick richten können.
Und weißt Du, Martha, was mich am meisten aufgerührt hat: Ich habe da viele Hunde getroffen, die dabei waren, die gesagt haben, dass das wahr ist, was die Menschen erzählen. Die haben nicht viel gesagt, zu schlimm war das bestimmt für die, wieder daran zu denken, aber wenn ich in ihre Augen gesehen habe, als darüber gesprochen wurde, konnte ich den Schmerz und die Erinnerung an die Angst richtig spüren.
Einer war dabei, der sah aus wie ein Schäfi.
Der ist in der letzten Sekunde aus so einem Höllenort herausgekommen. man sieht es noch ein bisschen an ihm, das er nicht ganz gesund ist, er hat nur noch ein Auge, aber er lebt! Und seine Freunde und Verwandten, all die vielen Hunde in diesem Shelter sind nun alle tot.
Und er ist in Sicherheit! ich habe mich gefreut für ihn und zwischendurch habe ich ihn immer wieder beobachtet und war erstaunt, wie vertraut er immer noch mit den Menschen war.
Als dann ein Lied gespielt wurde und zwei Frauen gesungen haben, habe ich es gespürt. Es war ein kleines Gefühl, dass immer größer wurde, je länger ich mir die Hunde dort angesehen habe, besonders die, die der Hölle entkommen waren, nicht nur der rumänischen. Es war etwas, das alle verbunden hat, die hier waren, auch wenn die ganz unterschiedlich waren.
Es waren junge und alte Menschen da, Männer und Frauen und Kinder, blonde und dunkelhaarige, große und kleine, welche, die Musik mochten, einige, die Kultur und Politik spannend fanden, andere, die lieber für sich waren und mehr leise gewirkt haben und dann die, die es laut gesagt haben.
Aber alle, wirklich alle, Martha, waren da, weil sie einer Meinung waren: " Wir kümmern uns, wir lassen die Hunde dort nicht im Stich und wir werden laut und lauter- Yes, we care" OK. , das habe ich selber nicht herausgefunden, dass so die Veranstaltung hieß, aber ich habe gehört, wie Frauchen später am Telefon davon berichtet hat.
Und ich wußte genau, welches Gefühl sie damit meinte. Es war aber nicht nur traurig, ich habe ja auch Bilder gemacht, und da kannst Du sehen, wie friedlich und freundschaftlich es zwischen und allen lief. Irgendwie haben wir es alle gespürt, wir waren hier für etwas ganz wichtiges, wenn das doch nur viel, viel mehr Menschen begreifen würden.
Eure Beksi und Kristina Schnoor