Aktuelle Meldung
Penny, eine Adventsgeschichte
Heute sind es bereits zwei Kerzen, die auf dem Adventskranz leuchten. Und dazu ist Nikolaus, der Tag in der Weihnachtszeit, der dem heiligen Nikolaus, dem "Anwalt der Armen und Rechtlosen", gewidmet ist.
Neben Naschereien und kleinen Spielzeugen im aufgestellten Stiefel kann man heute, wo Nikolaus auf einen Sonntag fällt, auch durchaus zusammensitzen und sich vielleicht Geschichten schenken. Erzählungen über Menschen oder auch Tiere, die besonders hervorstechen durch ihre Geduld, ihre Gutmütigkeit, ihre Tapferkeit oder ihr Talent, andere zum Lachen zu bringen oder einfach für sie da zu sein. Um sich ins Gedächtnis zu rufen, dass das nicht selbstverständlich ist, dass es einer besonderen Gabe bedarf, um andere zu erreichen und dass es nicht zwingend das Finanzielle ist, was ein Geschenk erst ausmacht.
Ihnen und euch einen schönen und fröhlichen Nikolaustag und einen harmonischen zweiten Advent mit unserer zweiten Adventsgeschichte.
Penny
"Sie kommen, die ersten sind schon da, gleich geht das große Tor auf!!!!", hallte es aus einigen Zwingern und fast alle Hunde des kleinen Tierheims am Rande der großen Stadt bellten aufgeregt durcheinander. Es war Besuchstag und wie an jedem Sonntag rannten alle wild und aufgeregt umher und sprangen an den Gittern hoch. Die Älteren mahnten, dass die Jungspunde sich doch bitte etwas mehr zurücknehmen sollten und in einem der Außenbereiche hatte sich wieder eine kleine Gruppe um Penny und Josh gebildet, die noch schnell ein paar Tipps mit auf den Weg bekamen:" Zeigt euch, kommt vorn ans Gitter, aber seid nicht zu nervös, nicht zu aufgeregt. Die Menschen mögen keine allzu vorwitzigen Hunde, sie suchen ruhige, ausgeglichene Begleiter, die ihnen nicht zu viel Arbeit machen und die in ihr Leben passen. Und vor allem, Leo und Sputnik, mögen Menschen keine Hunde, die ständig schmutzig sind und den halben Wald in ihr Wohnzimmer tragen." Tadelnd sah Josh die zwei jungen Terrier an, deren helles Fell man nur noch ansatzweise unter der dunklen Schlammkruste erahnen konnte. Dabei hatten sie sich doch nur ganz kurz einmal in eine der Pfützen auf dem Auslauf geworfen, ein wenig Ausgelassenheit abseits der Beengtheit der Zwinger. Beide versuchten eilig, so gut es ging, sich den Schmutz aus dem Fell zu schütteln.
"Und Du, Kora, versuchst heute, mal nicht so aufgeregt zu sein. Zeig dich interessiert, aber probiere nicht so laut zu heulen vor Freude, das schreckt auch ab.", nahm Penny eine nicht mehr ganz junge Schäferhunddame beiseite, die schon seit Stunden Durchfall hatte, weil sie wusste, dass heute Besuchstag war und wieder Menschen, die einen Begleiter suchten, ins Tierheim kamen. Vielleicht war ja heute ihr Tag, vielleicht war genau der richtige Mensch da, der genau sie suchte, einen loyalen Beschützer in den besten Jahren , der die Menschen über alles liebte. Ihr Fell war an einigen Stellen bereits ganz kahl, weil sie sich so oft kratzte, damit das blöde Gefühl wegging, das Gefühl der Enge, des Eingesperrtseins und der Einsamkeit. Dazu kam bei Kora, dass sie viele andere Hunde einfach nicht ertrug, sie war am allerliebsten mit ihren Menschen ganz allein. Und sie hatte alles dafür getan, dass die Menschen glücklich mit ihr waren. Aber das war nie genug gewesen, denn es war nun bereits das dritte Mal innerhalb weniger Jahre, dass das Tierheim ihr Zuhause geworden war. Inzwischen war Kora kein Welpe mehr und musste sich viel mehr Mühe geben als die anderen, um aus der Menge herauszustechen.
Auch wenn Kora mit den allermeisten Artgenossen Probleme hatte, weil sie als ganz junger Hund ständig geärgert worden war von Rüden und Hündinnen gleichermaßen, so war sie gern mit Josh und Penny zusammen. Die beiden strahlten eine Ruhe und eine Weisheit aus, die Kora beruhigte und die ihr Sicherheit gab.
Und dann öffnete sich das große Tor und die Besucher kamen. Es waren junge Pärchen darunter, die sich an den Händen hielten, während sie durch die Reihen der Zwinger schlenderten, genauso wie Familien mit Kindern oder Einzelpersonen. Bei den meisten Hunden waren bereits nach wenigen Minuten alle guten Vorsätze und Ratschläge von Josh und Penny vergessen. Die beiden hatten sich in die hinteren Bereiche zurückgezogen und beobachteten das Treiben von dort aus. Keiner der beiden mochte es zugeben, aber es machte auch nach so vielen Jahren immer noch traurig, wenn man einfach nicht gesehen wurde, die Blicke durch einen hindurchgingen. Aber irgendwie hatte Josh und Penny sich damit arrangiert, wie mit so vielen anderen Sachen auch. Stattdessen erfreuten sie sich daran, dass einige der Jungspunde ihre Tipps zumindest ansatzweise beherzigten und auch von Leuten mit auf einen Spaziergang genommen wurden.
Nach ein paar Stunden war der Trubel vorüber. Es war im Bereich der Jungen etwas leerer geworden, wie immer nach einem Sonntag. Die betagtere und etwas dickliche Smilla, eine unauffällige Labradorhündin, die eher ruhig, fast phlegmatisch war, war von einem älteren Ehepaar adoptiert worden, in erster Linie, weil sie sie so sehr an ihre vorherige Hündin erinnerte.
"Mmmh, diese Chance wird mir sicher nicht zuteil werden..", murmelte Penny zu sich selbst, " dass mich jemand sieht, weil ich ihn an ihren alten Hund erinnere."
Josh, der das gehört hatte, lachte und erwiderte:" Naja, ich sicher auch nicht. Wenn das der Fall wäre, würden die Menschen sich erstmal an die Kosten erinnern, die der Vorgänger verursacht hat und schwupps wären sie weg!" Josh versuchte immer den Clown raushängen zu lassen, aber Penny hatte genau gesehen, wie seine Augen leuchteten, wenn es so aussah, als schauten Interessenten tatsächlich in die hinteren Zwingerbereiche, in die sich Josh und Penny zurückzogen, um den Jungen und Schönen den Vortritt zu lassen. Allerdings legte sich immer wieder ein Schleier auf seine Augen, wenn klar wurde, dass die Menschen nicht ihn sahen, sondern einen schüchternen, aber hübschen jungen Hund, der sich kurz vor dem Lärm und dem Stress nach hinten verkrochen hatte.
Als die Besuchszeit vorbei war, kehrte langsam wieder Ruhe ein, diejenigen, die das Glück hatten, auf einen Spaziergang mitgenommen worden zu sein, berichteten vom Erlebten draußen und die, die Interessenten hatten, waren atemlos vor Hoffnung. Aus Erfahrung wusste Penny, dass mit jedem Tag, der verging und an dem der besagte Mensch nicht wieder erschien, die Hoffnung mehr und mehr verblasste, um dann wieder aufzuwallen beim nächsten Menschen, der etwas länger am Gitter stehen blieb oder sogar zu einem Spaziergang bereit war. Und Penny wusste, wie sehr das an den Kräften zerrte, wie sehr das der Seele weh tat je öfter es passierte. Denn auch Penny hatte die Hoffnung gehabt, unzählige Male. Wie oft hatten die Menschen ihr früher gesagt, wie schön sie sei mit ihrem glänzenden Fell, den schönen, bernsteinfarbenen Augen, dass sie schon sehr besonders sei und klug.
Ja, klug war sie immer noch und vor allem besonders. Vielleicht auch noch schön, allerdings interessierte das niemanden mehr. Penny hatte ihre Bestimmung hier im Heim gefunden, zumindest versuchte sie, das beste aus ihrer Situation zu machen.
Sie wollte eine Stütze für die anderen sein, ihnen Mut zusprechen, Tipps geben, sie stark machen für die Welt da draußen, für die Wunder, die sie zu bieten hatte, aber auch für die Enttäuschungen. Und Pennys Highlight war der junge Mann, der einmal im Monat kam, um sie zu einem der seltenen Spaziergänge abzuholen. Sie freute sich darüber, aber wenn sie wieder in ihrem Zwinger war, tat es jedes Mal weh, weil die Einsamkeit sie wieder hatte. Der junge Mann erzählte ihr viel während dieser Spaziergänge. Er berichtete von sich und sagte ihr auch immer wieder, wie einzigartig sie sei, was für eine perfekte Begleiterin. Sie fuhren sogar manchmal mit der S-Bahn, Penny machte das alles nichts aus. Auch erzählte er mit leiser Stimme, kurz bevor sie wieder im Heim ankamen, dass er sie eines Tages mitnehmen würde, für immer. Wenn er endlich einen anderen Job hätte, mit normalen Arbeitszeiten und eine andere Wohnung. Penny versuchte, das nicht zu nahe an sich heranzulassen, denn zu oft war sie früher enttäuscht worden, zu oft hatte sie gesehen, was unerfüllte Hoffnungen mit einem machten. Trotzdem träumte sie des Nachts immer wieder davon, mit ihrem Menschen eines Tages hier herauszugehen, endlich auch einmal in Ruhe ohne lautes Gebell einschlafen und ausruhen zu können, jemanden zu haben, der einen liebte und schätzte. Manchmal sprach sie mit Josh darüber. Der wurde mürrisch dann und riet ihr, den Menschen nicht zu vertrauen, niemandem. Was sollte Josh auch sagen, zu oft war er enttäuscht worden. Egal, wie nett und gut erzogen er sich präsentierte, sobald die Menschen miterlebten, wie er einen Anfall hatte, war das Interesse schlagartig vorüber.
Dazu kamen dann noch die Kosten für seine Medikamente.
So war es halt, ihr Schicksal. Und so versuchte sie, eben das beste aus allem zu machen und den anderen eine Stütze zu sein.
An diesem Sonntagabend war Penny müder als sonst und fühlte sich schlapp und ausgelaugt, als sie sich in ihrer kleinen Hütte schlafen legte.
Und in dieser Nacht machte Penny sich einfach davon, still und leise ging sie den letzten Weg, unaufgeregt und bescheiden.
Es trauerten nicht viele, aber die, die sie gekannt hatten, die Pfleger und Ehrenamtlichen, waren alle bestürzt und traurig und die anderen Hunde, denen sie eine Stütze gewesen war über eine so lange Zeit, waren sehr betrübt. Josh hatte es am schlimmsten getroffen, er erlitt einen schlimmen Anfall, als die Pfleger Pennys leblosen kleinen Körper hinaustrugen. Penny war eine der Langzeitinsassen und den Betreuern dementsprechend ans Herz gewachsen.
Auch am nächsten Besuchssonntag war noch nicht alles wie immer , die Stimmung war deutlich gedämpfter und auch gereizter. Die Pfleger erzählten den Freiwilligen, die es noch nicht wussten, von Penny, von ihrer sanften Art, ihrer Fürsorglichkeit. Eine Pflegerin erinnerte sich, wie toll Penny sich um die Neuankömmlinge gekümmert hatte: "Besser, als sie hätten wir es nie machen können, sie war uns eine unglaubliche Hilfe!".
Und es brannte eine Kerze auf dem kleinen Tisch im Aufenthaltsraum für Penny. Als das Tor des Tierheims sich für die Besucher öffnete, war deutlich zu merken, das etwas anders war, die Stillen unter den Hunden waren stiller und die Aufgeregten bellten unkontrolliert und nervös am Gitter, als eine freiwillige Helferin in den Raum stürmte, die schon lange nicht mehr da gewesen war. " Ihr glaubt es nicht, Penny hat Besuch, es ist ihr Gassigeher und er kann sie endlich mitnehmen, er freut sich so. Wo ist sie denn, ich habe nur ihren Rollstuhl in der Ecke stehen sehen. Er freut sich so auf sie."
Alle schauten betreten vor sich hin, es trat eine unerträgliche Stille ein, die zentnerschwer auf allen Anwesenden lastete. Die Augen der jungen Helferin füllten sich mit Tränen, sie wusste, was das hieß. Keiner sprach ein Wort und niemand wollte hinaus und dem jungen Mann die Nachricht überbringen.
Irgendwann stand die Leiterin des kleinen Tierheims auf und trat zu dem jungen Mann, der immer noch vor Pennys Zwinger stand und suchend Ausschau hielt, in der Hand hatte er eine nagelneue Leine und ein spezielles Geschirr. Nachdem die Leiterin ihm von Pennys Tod berichtet hatte, stand der junge Mann lange still vor Pennys Hütte. "Ich habe immer Angst gehabt, dass ich zu spät komme, aber nicht, weil ich an so etwas gedacht habe. Ich hab es nie verstanden, dass sie keine Interessenten hatte, habe gedacht, irgendwann komm ich her und sie hat bereits ein Zuhause. Aber dass es so kommt. So ein perfekter Hund!"
"Ja, sie war perfekt, aber das konnten wohl nur die Menschen sehen, die mit dem Herzen schauen und die einen Freund hier adoptieren, die sich ganz bewusst dazu entschließen und schauen, wer zu ihnen passt und dabei auch Schwierigkeiten nicht scheuen. Und ich hoffe, Penny hat gespürt, dass sie derjenige waren, für den sie perfekt war, für den sie hätte eine Freundin sein können."
" Ja, das hoffe ich auch, ich wäre so gern rechtzeitig gewesen und wenn es auch nur der Gang gemeinsam mit ihr hier heraus gewesen wäre, nur ein einziger Tag. Ich werde sie in meinem Herzen tragen, denn da war sie schon von Anfang an "mein" Hund."
Die Tierheimleiterin sah dem jungen Mann noch lange nach, dann richtete sich ihr Blick auf den verwaisten Rolli, der Penelope die fehlende Kraft in den Beinen ersetzte, ihr das Leben erleichtert hatte und dann auch wieder nicht.
Auch sie würde Penny nicht vergessen, wie so viele ihrer perfekten unperfekten Schützlinge, die man nur mit dem richtigen Herzen sehen konnte...
Kristina Schnoor von kettenlos
Vielleicht gibt es den ein oder anderen, der gerade jetzt auf der Suche nach einer Freundin ist, die äußerlich unperfekt sein darf. Die einige logistische Anforderungen an das Zusammenleben stellt, aber dafür ein sehr freundliches und liebes Wesen zu bieten hat. Sie heißt Penelope , ist bereits in Deutschland und sucht verzweifelt nach ihren Menschen, die nicht ihre Beeinträchtigung sondern ihr Wesen sehen.
Das wäre unser Weihnachtswunsch für Penelope.
Manchmal in diesen Zeiten erfüllen sich ja bekanntlich Wünsche und auch Penny würde sich sicher sehr darüber freuen und da oben glücklich lächeln.